Mittwoch, 06. Oktober 2004 10:34

Südtiroler Landtag - „Direkte Demokratie“

Roman Zanons Rede zum Thema „Direkte Demokratie“ vor der Sonderkommission des Südtiroler Landtages

 

Verehrte Abgeordnete!

Ich bedanke mich im Namen des Dachverbandes für Natur- und Umweltschutz für die Einladung. Vier Punkte sind für uns grundlegend:

1. Direkte Demokratie wertet auf

Die Direkte Demokratie ist kein Allheilmittel. Sie ist aber eine wichtige Ergänzung und Aufwertung unserer bestehenden Demokratie. Für den Natur- und Umweltschutz erwarte mir viel von der direkten Mitbestimmung des Volkes. Denn ich bin überzeugt davon, dass unsere schwierigsten Umweltfragen von einer rein repräsentativen Demokratie nicht mehr gelöst werden können. Sie als politisch Verantwortliche müssen schwierige Probleme lösen. Nur die direkte Mitbestimmung der Bevölkerung gibt Ihnen den erforderlichen Rückhalt für die Durchsetzung auch unbeliebter Maßnahmen. Denn eines steht fest: Kein auf Wählerstimmen angewiesener Politiker tut etwas Unpopuläres. Das Volk aber kann ihn zwingen, auch unpopuläre Entscheidungen für das allgemeine Wohl zu treffen.

Nebenbei bemerkt: Unterschätzen wir nicht den edukativen Charakter eines potentiell jederzeit greifenden Korrekturmechanismus durch die Bürgerinnen und Bürger. Sie als gewählte Vertreter werden Ihr Verhalten an die neue Situation anpassen müssen und die Meinung des Volkes ernster nehmen als bisher.

2. Ein Quorum wertet ab

Ich habe viele Für und Wider abgewogen, ehe ich zu der Überzeugung kam, dass eine Direkte Demokratie kein Quorum braucht. Ohne vorgeschriebene Mindestbeteiligung werden alle Interessierten motiviert oder auch gezwungen, sich an Diskussion und Abstimmung zu beteiligen. Die Quorums-Frage wird momentan sehr emotional geführt. Ich schlage vor, dass wir uns von jenen leiten lassen, die Fachleute auf dem Gebiet der Direkten Demokratie sind. Denn eines wollen wir vermeiden: ein Gesetz, das bei jedem einzelnen Urnengang Konflikte hervorruft.

3. Keine wichtige Entscheidung ohne Direkte Demokratie

Es muss unser aller Ziel sein, ein Gesetz zu bekommen, das auch anwendbar ist. Anwendbar heißt für mich: Es muss die Mitentscheidung in all jenen Bereichen erlauben, die den Menschen in diesem Lande wichtig sind. In unserer politischen Realität werden viele wichtige Entscheidungen von der Landesregierung getroffen (Aktuelle Beispiele sind der Brennerbasistunnel oder der Ausbau der Pustertaler Straße.) Es muss möglich sein, auch diese Entscheidungen dem Volk vorzulegen. Ich wiederhole: Wir brauchen ein lebendiges, ein anwendbares Gesetz und keine toten Buchstaben.

4. Starten wir also demokratisch!

Lassen Sie uns den Geist der Direkten Demokratie schon von Anfang an spüren! Wenn sich die Sonderkommission auf einen Gesetzesentwurf einigt, dann legen Sie bitte Wert darauf, frei und ohne die Fesseln des Fraktionszwanges abstimmen zu dürfen. Sollte in der Sonderkommission keine Einigung zustande kommen, dann soll das Volk direkt entscheiden, nach welchen Regeln es künftig mitbestimmen will. Beide Lösungen wären für unsere Demokratie ein echter Schritt nach vorne.

Ich wünsche Ihnen eine glückliche Hand bei der Entscheidungsfindung. Denken Sie an unsere Zukunft. Sorgen Sie dafür, dass uns möglichst bald ein anwendbares direktdemokratisches Instrument zur Verfügung steht. Und seien Sie sich sicher: Das Volk wird künftig bei wichtigen Entscheidungen mitbestimmen – so oder so.

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