Freitag, 23. September 2016 07:39

CIPRA - PK zum Aufrüsten im Wintertourismus

IBK - gemeinsame Pressekonferenz von CIPRA International, CIPRA Deutschland, CIPRA Österreich und CIPRA Südtirol

 

Wintertourismus in den Alpen: Wachstum auf Teufel komm raus?  -
 Alpenweit werden aktuell mehrere neue, teils sehr grossräumige Seilbahnprojekte geplant. Problematisch daran ist nicht nur, dass die Projekte oft im Konflikt mit Schutzgebieten stehen. Vielmehr steht eine solche Strategie des „ungebremsten Wachstums“ im Widerspruch mit grossen Herausforderungen wie dem Klimawandel und ist kein Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung in Alpenregionen.

Die CIPRA tritt mit vereinten Kräften für den Schutz der alpinen Landschaft ein.
Die Seilbahnbranche überbietet sich aktuell mit Superlativen. So soll durch die Verbindung der Skigebiete im Pitztal und im Ötztal das „grösste Gletscherskigebiet der Welt“ entstehen.
Lech – St. Anton wirbt mit dem „grössten Skigebiet Österreichs“, zwischen Tiroler und Salzburger Skigebieten existiert der „zweitgrösste Skipassverbund der Welt“ und die Lenzerheide wirbt durch den Zusammenschluss mit Arosa als „grösste zusammenhängende Skiregion“ in Graubünden.

Doch gewichtige Gründe sprechen gegen diese stetig zunehmende Aufschaukelung. Allen voran der Klimawandel: Für den deutschen Alpenraum geht die Bundesregierung davon aus, dass künftig nur mehr eines von zehn Skigebieten natürlich schneesicher sein wird. Mit künstlicher Beschneiung trifft dies noch auf eines von drei zu. In Österreich wären bei einem mässigen Temperaturanstieg von einem Grad zwar noch zwei Drittel der Skigebiete schneesicher – allerdings gehen neueste wissenschaftliche Szenarien in den Alpen von einem Anstieg um 5,6 Grad bis 2100 aus. Auch die Tatsache, dass viele Skigebiete wirtschaftlich bereits ums Überleben kämpfen – in der Schweiz beispielsweise ist nur noch ein Drittel der Skigebiete profitabel – sowie stagnierende bis sinkende Skifahrerzahlen sprechen gegen den stetigen Ausbau der Skigebiete. Seilbahnen sind keine Garantie mehr für Wohlstand und eine gesunde Entwicklung in den Alpentälern.

 

Alpenweiter Ansatz notwendig
Immer häufiger werden die Ausbaupläne im eigenen Land mit skitechnischen Aufrüstungen im Nachbarland politisch gerechtfertigt. Die VertreterInnen der CIPRA verlangen die Durchbrechung dieses nahezu automatisierten Wachstumskreisels. Sie fordern stattdessen:

· Ein alpenweites Moratorium beim Ausbau von Skigebieten und eine umfassende Neuausrichtung des alpinen Tourismus in Richtung Nachhaltigkeit. Katharina Conradin, Präsidentin der internationalen Alpenschutzkommission CIPRA meint dazu: «Zwingend notwendig für ein solches Umdenken wäre eine Fokussierung von Förderungen auf Projekten, die strengen Nachhaltigkeitskriterien entsprechen – und zwar in allen Alpenstaaten».

· Die Ausarbeitung von alpenweit geltenden Raumplanungsregularien für eine Alpine Raumordnung auf Basis der Alpenkonvention, die Einhaltung von bestehenden raumplanerischen Grundlagen durch die Behörden und den Respekt vor2
Schutzgebieten. «Die Alpenstaaten müssen deshalb für eine Begrenzung des Flächenverbrauchs durch touristische Erschließungen und die weitere Zerschneidung von bisher unversehrten Alpinräumen sorgen», fordert Peter Haßlacher, Vorsitzender von CIPRA Österreich.

· Eine verbesserte alpenweite Zusammenarbeit im Tourismus statt einem „selbstzerstörerischen Wettbewerb“. Eine Plattform für einen solchen Dialog könnte das alpenweit geltende, völkerrechtlich verbindliche Vertragswerk der Alpenkonvention bieten.


Die CIPRA als international tätige Organisation mit nationalen und regionalen Vertretungen in allen Alpenstaaten appelliert daher an die Politik, an die Tourismusverantwortlichen, an die Behörden sowie an die UmweltministerInnen im Rahmen der XVI. Alpenkonferenz in Grassau tätig zu werden und eine sachgerechte, zukunftsweisende und auf gleicher Augenhöhe stattfindende Debatte über die Zukunft des alpinen Wintertourismus einzuleiten.
«Eine gemeinsame Auseinandersetzung mit den tatsächlichen Herausforderungen würde allen Beteiligten mehr bringen, als blindlings darauf zu hoffen, dass sich mit immer gigantischeren Investitionen und Umweltzerstörungen der Skitourismus noch um einige Jahrzehnte verlängern lässt», betonen alle Vertreter der Internationalen Alpenschutzkommission CIPRA.


Länderübergreifendes Wettrüsten

Dennoch passiert genau dies. Im Arbeitsgebiet der drei nationalen Vertretungen der Internationalen Alpenschutzkommission CIPRA in Deutschland, Südtirol, Österreich und der Schweiz befinden sich immer mehr Projekte in dieser Wettbewerbsspirale (siehe Karte): In Österreich sind vor allem der geplante Zusammenschluss der Gletscherschigebiete Ötztal – Pitztal, die grenzüberschreitende Erschließung vom Kaunertaler Gletscher ins Langtauferer Tal, St. Anton am Arlberg mit Kappl im Paznaun sowie Sexten mit Sillian über die Staatsgrenze wieder aufgeflammt. Mit der geplanten Erschließung durch das Ruhegebiet „Kalkkögel“ und in Oberösterreich durch das Naturschutzgebiet „Warscheneck-Nord“, wird auch vor Schutzgebieten nicht Halt gemacht.

In den eineinhalb Jahren, seit Bestehen des neuen Fachplanes für Skipisten und Aufstiegsanlagen in Südtirol, standen bzw. stehen bereits bei mehreren Skigebieten signifikante Erweiterungen ausserhalb der genehmigten Skizonen an, so etwa im Vinschgau der Zusammenschluss der beiden Skigebiete Haider Alm – Schöneben, der grenzüberschreitende Zusammenschluss Kaunertal – Langtaufers, die Skigebietserweiterung im Schnalstal. Aber auch Projekte, wie die Erschließung der Seiser
Alm von Kastelruth aus. Daneben stehen einige Projekte außerhalb der genehmigten Zonen in der Pipeline, der Zusammenschluss Speikboden – Klausberg, die Realisierung des grenzüberschreitenden Zusammenschlusses Sexten – Sillian, aber auch Ideen wie Aufstiegsanlagen von Villnöss in Richtung Seceda. «Ein Planungsinstrument führt sich selbst ad absurdum, wenn keine Planungssicherheit besteht und Projekte innerhalb als auch ausserhalb der im selben Plan ausgewiesenen Skizonen grundsätzlich genehmigungsfähig sind», kritisiert Klauspeter Dissinger, Vorsitzender von CIPRA Südtirol.

«In Deutschland existiert der bayerische Alpenplan, der gerade durch seine Einfachheit überzeugt. Dieser grenzt flächendeckend drei Raumtypen ab: Zone A mit intensiver Erschließung, Zone B mit Erschließung geringerer Intensität und Zone C ohne technische Erschließung. Diese Raumgliederung, die inzwischen Bestandteil des bayerischen Landesentwicklungsprogramms ist, hat alle Minister- und Regierungswechsel seit 1972 unbeschadet überstanden. Doch seit dessen Lancierung, und seit 2014 mit politischer Unterstützung, versuchen zwei Gemeinden am Riedberger Horn (Allgäu), diese raumordnende Festsetzung aufzuweichen und eine Skigebietsverbindung durch die Zone C zu erreichen. Ein solcher Präzedenzfall würde unabsehbaren weiteren Erschließungsplänen Tür und Tor öffnen. Fatalerweise können die Projektbetreiber damit argumentieren, dass außerhalb Bayerns so etwas „ohne Probleme“ möglich wäre», meint Erwin Rothgang, Vorsitzender von CIPRA Deutschland.

 

In der Schweiz macht im Moment vor allem die Skigebietsverbindung Andermatt – Sedrun von sich reden; aber auch die Destination Engelberg hegt mit dem «Schneeparadies» zwischen Engelberg und Melchsee-Frutt Expansionspläne. Und in der Westschweiz möchten die Skigebietsbetreiber am liebsten eine Direktverbindung von Les Diablerets auf den Sex
Rouge – mitten durch ein Landschaftsschutzgebiet von nationaler Bedeutung.

Infos und Kontaktdaten im Anhang

Schon gelesen?

nsb012023 Umwelt

Archiv Presse